Meer, Magie und Seen-Sucht in Schleswig-Holstein!

Hinten: die unendlichen Weiten des Plöner Sees in Schleswig-Holstein. Vorne: unsere Unterkunft, die Jugendherberge Plön! (Bild: © DJH)

Ein faszinierender Bericht von Christin. Vielen Dank! ?

Aufbruch nach Plön – Stadt der Seen-Sucht

„Es ist ein Ort der Seen-Sucht“ – schreibt die Tourismuszentrale Holsteinische Schweiz über Plön. Ob der Slogan der Realität auch standhalten kann? In der Tat hatte ich die Gegend um Plön herum schon länger als Reiseziel ins Auge gefasst. Umso größer meine Freude, als dann nach einer Abstimmung klar wurde, dass die nächsten „queeren Tage“ von HörEnswert im Seen-Reich Plön stattfinden werden!

Doch der Weg nach Plön war kein einfacher – zunächst wurde das Wochenende Corona-bedingt abgesagt und verschoben, dann gab es trotz langer Vorplanung Engpässe auf Arbeit. Nach einigem hin und her überlegen bin ich zum Entschluss gekommen, dass ich nicht auf die Auszeit und auf den Austausch mit Gleichgesinnten in Plön verzichten mag. Denn wie oft habe ich die Möglichkeit andere queere Hörgeschädigte zu treffen…?

Was also tun? Das tun: Home-Office in ein Train-Office umwandeln! So konnte ich sowohl die An- als auch die Abreise mit dem Zug für die Arbeit nutzen und gleichzeitig mich von A nach B bzw. von Stuttgart in Süddeutschland in den hohen Norden nach Plön bewegen. Das Beste: Der Verein hat die Fahrtkosten im Nachhinein erstattet und meinem (Umwelt-)Gewissen hat es auch gut getan. Mit letzterem konnte ich auch bei Carsten punkten, welcher das queere Wochenende zusammen mit Joshi organsiert hat. An dieser Stelle schon mal vorab – vielen ♥-lichen Dank an euch beide!

Freitagabend: Erstes Kennenlernen

Als ich dann am Plöner Bahnhof angekommen bin, war ich aufgeregt und gespannt was auf mich zukommen mag. Ich entdeckte im Bahnhof zwei Personen, von denen ich annahm, dass sie auch zu „uns“ gehören, da mein Gaydar ausgeschlagen hatte und die Hörsysteme ihr Übriges dazu taten. Ich sprach sie an und lernte somit die ersten Teilnehmenden des Wochenendes kennen – Hannes und Nikolai.

Die anderen Teilnehmenden lernte ich dann am Abend kennen. Einige kannte ich aus vorhergehenden Aktivitäten des Vereins und habe mich sehr über das Wiedersehen gefreut. Ich erfuhr an diesem Abend neben Namen und Beruf auch woher die anderen Teilnehmenden kamen, was sie bewegt hat, sich anzumelden, und welcher Gruppe sich hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung zugehörig fühlten. Die Gruppe war bunt gemischt und doch hatten alle zwei Dinge gemeinsam: Wir alle sind hörgeschädigt und queer. An diesem Abend stellte sich ein erstes „Wir“-Gefühl bei mir ein.

Faszinierende Sicht auf den Nachthimmel in Plön.

Nach dem Essen und geselliger Runde ging es dann ins Bett. Ich sicherte mir einen Platz auf dem Stockbett oben (Kindheitserinnerungen wurden wach ?), so dass ich einen guten Blick auf den Sternenhimmel hatte. Ich war fasziniert von der Sicht auf den Sternenhimmel, welche ganz anders ist als in meiner Heimatstadt, wo der Smog noch abends in der Luft hängt.

Samstag: Abenteuer Kanufahrt

Für den Samstag hat Carsten eine Kanufahrt organisiert. Für mich war es das erste Mal Kanufahren, daher war ich freudig aufgeregt über die Gelegenheit das Kanufahren auszuprobieren. Da alle ihre wasser-empfindliche Hörsysteme für den Fall eines Schiffbruchs in eine Box versperren mussten, saßen wir alle wortwörtlich „im gleichen Boot“ – gleiche Vorrausetzungen zur Kommunikation für alle. Nicht ganz einfach, wenn Mensch sich nicht mal anschauen kann, um Lippen, Mimik oder Gesten zu lesen.

Natürlich mussten auch andere wasserempfindliche Gerätschaften weggesperrt werden. Da ich das Fotografieren liebe und unbedingt die Kanufahrt zumindest mit meiner Handy-Kamera festhalten wollte, habe ich mir fest vorgenommen nicht zu kentern – ganz einfach! Nachdem Einstieg in das Kanu änderte sich meine positive Zuversichtlichkeit schlagartig – Kanu zitterte, kippte von einer Seite zu anderen, das Wasser schlug gegen das Heck und ich war sicher, wir würden es nicht mal zehn Minuten schaffen trocken zu bleiben! In der Tat kenterte zu Beginn eines der vier Kanus, mit denen wir unterwegs waren.

Unser Kanu-Team – bestehend aus Tina und mir sowie einer wechselnden Person – gewann mit jedem Ruderschlag an Sicherheit und die einzelnen Teammitglieder stimmten sich aufeinander ein. Mit der Zeit entspannte ich mich und konnte die Landschaft in der Stille der Taubheit und das Teamgefühl genießen. Ich lernte, dass es beim Kanufahren, auf jedes Teammitglied ankommt, damit das Kanu da ankommt, wo es ankommen soll. Das „Wir“-Gefühl verstärkte sich hierdurch.

Nachdem wir die offene See passiert hatten und Rast am Bootshafen Plön gemacht hatten, paddelten wir auf der Schwentine durch die Stadt Plön – dass soll gemäß Touristikzentrum Schleswig-Holstein für einen „Hauch von Venedig-Feeling“ sorgen. Tatsächlich war es wunderschön, aber auch erfrischend und ein wenig abenteuerlich, da wir immer wieder in das kalte Wasser aussteigen mussten, um bei niedrigem Wasserstand voranzukommen. Venedig-Feeling stelle ich mir dann doch anders vor.

Am Abend lag ich dann – nach Essen und ein paar Gesellschaftsspielen – kaputt und selig im Bett. Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, habe ich sofort das Gefühl verspürt, wieder auf dem Wasser zu sein, wieder vom Wasser gewogen zu werden.

Eine Kanufahrt, die ist lustig…

Sonntag: Meer, Magie und Marzipan in Lübeck

Für den Sonntag stand ein Ausflug nach Lübeck auf dem Plan, organsiert durch Joshi. Zunächst fuhren wir nach Travemünde, einem Ortsteil von Lübeck, welcher direkt an der Ostsee liegt. Dort teilten wir uns dann in verschiedene Gruppen auf, einige genossen den Strand unter den Füssen, den Meeresblick, lauschten den Wellen und nahmen ein Bad im Meer, andere verweilten bei einem leckeren Eis, besuchten die naheliegende Lebensfreude Messe, den Park oder flanierten durch die belebte Altstadt. Zu entdecken gab es viel!

Unsere Beach-Guys in Travemünde

Nach dem Ausflug an die Ostsee ging es dann weiter in die Altstadt Lübecks. Dort entführte uns Joshi zunächst in verborgene, bezaubernde Hinterhöfe im Herzen der Stadt, die an Idylle und Romantik kaum zu übertreffen waren. Stockrosen rankten sich um so manchem Eingang, Bienchen summten herum, die Gänge und Höfe strahlten eine magische Gelassenheit aus. Doch das war wohl nicht immer so, wie uns Joshi erklärte. Ihren Ursprung haben die Gänge und Höfe im Mittelalter – damals waren die Verhältnisse noch ärmlich, dunkel und beengt. Beim heutigen Anblick kaum zu glauben!

Besuch in der verborgenen, verzauberten Welt der Gänge und Höfe Lübecks

Nächster Stopp war ein Laden, welcher allerlei Köstlichkeiten mit dem berühmten Lübecker Marzipan anbot. Dieser Halt zog sich etwas hin, da abwechselnd jemand aus der Gruppe einfiel, dass er noch für Schwester, Papa, Freund, Kollegin, Nachbarn, Frau XY etc. Lübecker Marzipan mitbringen muss. (An dieser Stelle war ich zugegebenermaßen leicht genervt…) Den Tag haben wir anschließend mit leckerem Essen in einem italienischen Restaurant ausklingen lassen.

Weitere Impressionen aus Lübeck

Montag: Abschied und Abreise mit Nachwirkungen

Und da war es auch schon wieder Montag – und Abschied von der Auszeit des Alltagslebens stand an. Zum Abschluss haben Carsten und Joshi noch um ein Feedback gebeten: Was war gut? Was war nicht gut? Welche Wünsche und Ideen gibt es für zukünftige Veranstaltungen?

Ein Blick auf die Feedback-Karten verriet, dass zwei Dinge für die Zukunft besonders häufig gewünscht wurden. Zum einen, dass es mehr Veranstaltungen für queere Hörgeschädigte geben sollte, zum anderen, dass es mal ein Workshop „Flirten für Dummys“ o.ä. geben sollte. (Nachtrag – die scheinbar vergeblichen Flirtversuche haben mittlerweile Früchte getragen. Es gibt nun das erste queere Paar, welches durch HörEnswert zusammengefunden hat. Nun wäre vielleicht ein Workshop in Sachen Beziehungsarbeit in einer Fernbeziehung angebrachter… ?)

Danke!

Zu guter Letzt möchte ich mich nochmal bei den beiden großartigen Organisatoren Joshi und Carsten bedanken, die das tolle Wochenende erst möglich gemacht und viel Herzblut reingesteckt haben. Auch möchte ich mich für die schöne Begegnungen mit anregendem Austausch und Spaß bei den vielen lieben Mitmenschen bedanken – dazu gehören: Caro, Hanna, Hannes, Jasmin, Laura, Nikolai, Pascal, Tina und Tommy.

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